Canobbio (TI), 2'100 Einwohner
Die Gemeinde Canobbio (TI) bei Lugano hat die Modernisierung und Erweiterung ihres Gemeindehauses nach Minergie-Standard umgesetzt.
Canobbio – der Balkon über Lugano. Mit diesem Motto wirbt die Gemeinde Canobbio, die in der Tat auf einer Sonnenterasse bei Lugano liegt, unweit vom bekannten Fussballstadion Cornaredo. Vom Gemeindehaus schaut man hinunter auf die Stadt und den Luganersee. Mit 2000 Einwohnern ist Canobbio ein kleiner Vorort im Vergleich zur grössten Tessiner Stadt mit ihren mittlerweile fast 60'000 Einwohnern. Gleichwohl lässt sich in Canobbio sehen, dass sich auch eine kleine Gemeinde in Sachen Energiesparen vorbildlich verhalten kann. «Bereits 1993 haben wir eine Photovoltaikanlage auf der Gemeindeschule installiert», betont Gemeindepräsident Roberto Lurati. Die Isolation der Turnhalle wurde verbessert, die Strassenbeleuchtung mittlerweile auf LED umgestellt. Auch die Trinkwasserleitungen der Gemeinde wurden minutiös geprüft und die Lecks repariert, um unnötige Verluste zu vermeiden.
Zum eigentlichen Aushängeschild der Gemeinde ist aber die Modernisierung und Erweiterung des dreigeschossigen Gemeindehauses – der Casa Comunale – geworden. Einst war dieses Gebäude auch Schulhaus. Es bestanden Pläne, ein neues Municipio an anderer Stelle zu bauen. Doch dann plädierte man für die etappenweise Renovation des bestehenden Gebäudes nach Minergie-Standard mitsamt einem turmförmigen Anbau, um Platz für einen Lift zu schaffen und so einen behindertengerechten Zugang zu allen Ebenen des Gemeindehauses zu ermöglichen. Für den Um- und Anbau gab der Gemeinderat im Dezember 2009 grünes Licht. Den Auftrag erhielten die Architekten Raoul Gianinazzi und Massimo Crivelli vom Architekturbüro Infabrica in Tesserete. Die Arbeiten begannen im September 2010. Beim Rundgang zeigt Gianinazzi die wichtigsten Elemente des Gebäudes, das am Hang gebaut ist. Im Untergeschoss befindet sich ein Mehrzwecksaal, der über einen eigenen Seiteneingang verfügt. Unter dem Vorplatz befindet sich heute das Gemeindearchiv. Im Erdgeschoss haben die Kanzlei und die Büros von Gemeindeschreiber und Gemeindepräsident Platz. Im ersten Stock sind das Büro des Bauamtsleiters und der Sitzungsraum für das Municipio untergebracht. Im März 2012 wurden die Arbeiten abgeschlossen.
Zentrales Element, um einen schonenden Energieverbrauch des renovierten Gebäudes zu garantieren, war der Einbau einer 100-prozentigen Aussenluftwärmepumpe im Kellerbereich, welche die einstige Erdölheizanlage ersetzte. Die Energiebezugsfläche beträgt 721 Quadratmeter. Gianinazzi zeigt, dass auch die Isolation des Gebäudes auf Vordermann gebracht wurde. Neben einer Dreifachverglasung hat man schliesslich ein modernes Ventilationssystem eingebaut. Das Wasser wird nur noch gering erhitzt und strahlt über die traditionellen Heizkörper in die Räume des renovierten Gebäudeteils aus. Im Neubau hat man eine Fussbodenheizung verlegt. Als technischer Fachpartner wirkte in diesem Bereich das Ingenieurunternehmen Visani Rusconi Talleri SA (VRT) aus Lugano/Taverne. «Gemäss den kantonalen Vorschriften darf die Temperatur des Warmwassers im Heizkreislauf der Heizkörper maximal 50 Grad betragen, bei der Fussbodenheizung maximal 35 Grad», sagt Emanuele Cavolo vom Ingenieurbüro VRT. Auf dem neu isolierten Dach wurden im Übrigen auf 56 Quadratmetern 34 Photovoltaikpanels mit einer Leistung von 7,48 kWp (Kilowattpeak) installiert. «Der Kanton Tessin schreibt den Minergie-Standard für solche öffentlichen Gebäude vor», sagt Architekt Gianinazzi. Am 15.Juni 2012 wurde das Gebäude denn auch mit dem Label Minergie zertifiziert. Am Eingang zum Gemeindehaus prangt seither das Zertifikat.
Die
Energieeinsparungen sind tatsächlich beträchtlich. Gemäss VRT-Angaben betrug
der Heizölkonsum vor der Renovation 7000 Liter pro Jahr oder umgerechnet 70‘000
Kilowattstunden (kWh) Strom. Nach der energetischen Sanierung ist der Konsum
auf 19'000 kWh gefallen, was einer Heizölreduktion von umgerechnet 4900 Liter
pro Jahr entspricht. Allein durch die Isolation des Gebäudes wurden schon gut
2000 Liter Heizöl eingespart. Ganz
gratis war dieser Effekt allerdings nicht zu haben. Im Dezember 2009 bewilligte
der Gemeinderat einen Kredit von rund zwei Millionen Franken. Im November 2012
musste die Exekutive einen Nachtragskredit in der Höhe von rund 400‘000 Franken
beantragen, was für einigen Unmut bei den Lokalpolitikern sorgte. «Es handelte
sich generell um nicht vorhersehbare Arbeiten, die im Laufe der Realisierung
des Projekts notwendig wurden», verteidigte sich der kleine Gemeinderat in der
Botschaft für den Nachtragskredit. Nicht
in Erfüllung gegangen sind die Erwartungen der Gemeinde Canobbio in Bezug auf
die Einspeisevergütung des auf dem Dach erzeugten Solarstroms. Die Anlage ging
am 14.November 2011 in Betrieb. In der ersten Kreditbotschaft (2009) war die
Rede von einer Vergütung in Höhe von 60 bis 80 Rappen pro Kilowattstunde Strom
über einen Zeitraum von 20 Jahren, «so dass die Anlage innerhalb dieser Zeitspanne
amortisiert werden kann». Ende 2012 schrieb das Municipio, dass die effektive
Einspeisevergütung seit Inbetriebnahme aber nur bei 18 Rappen pro Kilowattstunde
lag. «Hier haben sich die Prognosen nicht erfüllt», räumt Gemeindepräsident
Lurati ein. Der Markt sei in diesem Segment eben stets in Bewegung. Für
die Sanierung des Gemeindehauses nach Minergie-Standard erhielt Canobbio einen
Zustupf vom Kanton Tessin in der Höhe von 294‘000 Franken. «Aber wir hätten das
Projekt auch ohne diese Subventionen verwirklicht», hält Lurati fest. Der
Kanton Tessin fördert den sparsamen Umgang mit Energieträgern und kann über die
Kantonsverwaltung spezifische Fördergelder sprechen. Im März 2011
verabschiedete der Grosse Rat für den Zeitraum von 2011 bis 2020 einen
Rahmenkredit von 65 Millionen Franken, der Fördergelder für den Einsatz
erneuerbarer Energien und die Verwirklichung von Fernwärmesystemen umfasst. Die
kleine Gemeinde Canobbio arbeitet an weiteren Projekten, um Energiesparmassnahmen
und ökologische Vorhaben umzusetzen. Zwei Millionen Franken werden in die
Fassadenrenovation der Gemeindeschule investiert, zwei E-Bikes wurden
angeschafft, und man hat auch für eine eigene Bushaltestelle gekämpft, um im
Nahverkehrssystem besser an Lugano angeschlossen zu sein. Canobbio will
möglichst bald das Label Energiestadt für eine nachhaltige kommunale
Energiepolitik erhalten.
Roberto Lurati
Gemeindepräsident
Comune di Canobbio
Via Trevano 13
6952 Canobbio
Tel. 091 936 30 60
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