Auw (AG), 1'900 Einwohner
Holzfernwärme mit Hackschnitzeln aus dem Gemeindewald: Dieses Konzept ist nicht nur wirtschaftlicher als Heizöl, sondern generiert obendrein lokale Arbeitsplätze. Die Gemeinde Auw (AG) betreibt deshalb bereits vier Holzfernwärmenetze.
Stefan Staubli, Leiter Wald der Gemeinde Auw: «Stammt die Heizzentrale von einem Schweizer Hersteller, bleiben 95 Prozent der Investitionen im Inland.»
Moderne Vorschubbrennkessel mit nachgeschalteter Kondensationsanlage sind besonders effizient.
Satte Fluren, über denen da und dort ein Mäusebussard kreist, dazwischen stattliche Bauernhöfe und bewaldete Hügel so weit das Auge reicht – man fühlt sich fast wie zu Gotthelfs Zeiten, wenn man mit dem Forstdienstwagen im Aargauer Freiamt unterwegs ist. Doch die Region wandelt sich, wie Stefan Staubli, Leiter Wald der Gemeinde Auw, auf der Anfahrt ins Dorf erklärt: «Das obere Freiamt spürt die Nähe zu Zug und Zürich; die Einwohnerzahl unserer Gemeinde hat sich in den letzten 25 Jahren auf knapp 2000 verdoppelt.» In der Tat stehen in der idyllischen Ortschaft zahlreiche Neubauten; auch einige Firmen haben sich in der Gegend niedergelassen.
Mit diesem Zuzug von Privaten und Gewerbe geht ein steigender Energieverbrauch einher. «Doch weshalb teures Geld für Erdölimporte ausgeben, wenn wir vor der Haustür Wälder voller Brennholz haben?» Diese Frage trieb Staubli schon in den 90er-Jahren um und bewog ihn 2001, einen ersten, damals noch kleinen Holzwärmeverbund in Betrieb zu nehmen. «Als Gemeindeförster bereiteten mir die im Gefolge der Stürme Vivian und Lothar eingebrochenen Holzpreise Sorge. Es galt, neue Absatzmöglichkeiten zu finden, wenn die Bewirtschaftung unseres Gemeindewalds kostendeckend bleiben sollte.» Holzfernwärme erschien in dieser Situation als Königsweg. Eine harte Knacknuss waren allerdings die privaten Liegenschaftsbesitzer: «Vor dem Bau des ersten Fernwärmeverbunds mussten wir intensive Überzeugungsarbeit leisten.» Am Ende gelang es jedoch, das Konsortium einer neuen Zentrumsüberbauung für die Idee zu begeistern. Den Ausschlag zugunsten des Brennstoffs aus dem Wald gaben einerseits die tieferen Baukosten durch den Wegfall der privaten Heizinfrastruktur. Andererseits war attraktiv, dass die Ortsbürgergemeinde Auw als Fernwärmebetreiberin die Liefersicherheit vertraglich mindestens 40 Jahre lang gewährleistet. «Mit der erfolgreichen Umsetzung dieser ersten Fernwärmeanlage war das Eis gebrochen. Seit 2001 konnten wir bereits drei weitere Holzfeuerungszentralen erstellen», erklärt Staubli.
Die Aufteilung des
Fernwärmenetzes in mehrere separate Einzelnetze mit je eigener Feuerung statt
eines zusammenhängenden Grossverbunds macht Sinn, da man auf diese Weise keine
teuren Rohre zur Zusammenführung der Teilnetze legen muss. Der Bau solcher
Verbindungsleitungen stellt bei Preisen von bis zu 1000 Franken pro Laufmeter
einen kritischen Kostenfaktor dar. Staubli: «Generell sollte man Leitungen
immer erst dann bauen, wenn entlang der geplanten Strecke die Vorverträge für
die Wärmeabnahme unter Dach und Fach sind. Am besten fokussiert man dabei auf
Grossabnehmer wie Wohnüberbauungen.» Im Lauf der Zeit kommen dann sukzessive
kleinere Einzelkunden hinzu, welche die ausgedienten Ölfeuerungen nicht mehr erneuern
wollen und stattdessen lieber Holzfernwärme frei Haus beziehen. Insbesondere im
Dorfzentrum konnten in den letzten Jahren derart viele Neuanschlüsse gewonnen
werden, dass die erste Feuerung von 2001 nun durch eine neue, leistungsfähigere
Zentrale ersetzt werden muss.
Dieser von der Firma Schmid in Eschlikon (TG) gebaute Vorschubbrennkessel nimmt im Herbst 2014 in einem unterirdischen Neubau seinen Betrieb auf. Dank einer nachgeschalteten Kondensationsanlage, die den Verbrennungsabgasen via Wärmetauscher Kaminabwärme entzieht, ist die neue Feuerung zehn Prozent effizienter als herkömmliche Systeme. Ein Rauchgasfilter sorgt zudem für die Einhaltung der strengen Feinstaubvorschriften. «Dank dieser leistungsstarken Anlage können wir nun auch unseren Fernwärmeperimeter massiv ausweiten. Der alte Kessel dient in Zukunft bloss noch zur Abdeckung von Spitzenlast», erklärt Staubli. Die Kosten für die neue Heizzentrale und den Ausbau des Fernleitungsnetzes belaufen sich auf 2,85 Millionen Franken. Davon lassen sich 1,2 Millionen über Anschlussgebühren, Förderbeiträge und Rückstellung für den alten Kessel berappen; die als Differenz verbleibende Nettoinvestition von 1,65 Millionen Franken wird den Wärmekunden mit einer Amortisationszeit von durchschnittlich 28 Jahren auf den Fernwärmepreis geschlagen.
Dass sich die Wärme aus dem
eigenen Wald in Auw so grosser Popularität erfreut, ist nicht zuletzt dem
sprunghaften Anstieg der Erdölpreise zu verdanken. Mit 110 Dollar pro Fass schlug
Nordseeöl Anfang
Juli fünfmal teurer zu Buche als noch 2002. «Bezieht man die
Infrastrukturkosten für die private Ölfeuerung in die Berechnung ein, fahren
unsere Kunden inzwischen ein Sechstel billiger als mit Heizöl», freut sich
Staubli. Was Anfang Jahrhundert bescheiden begann, hat sich bis heute zu einem
stattlichen kommunalen Fernwärmeunternehmen gemausert, dessen vier Feuerungen
jährlich total 2500 Kubikmeter Rundholz beziehungsweise 7000 Kubikmeter
Holzhackschnitzel verbrauchen. Diese werden lokal von einem spezialisierten
Hackschnitzelunternehmer produziert. Damit lassen sich zwei Millionen
Kilowattstunden Nutzenergie für die Wärmekunden erzeugen. Rund eine halbe
Million Liter Heizöl beziehungsweise 1500 Tonnen CO 2 pro Jahr werden
auf diese Weise eingespart. «Unser Forstrevier könnte gut einen Drittel mehr
Energieholz bereitstellen», meint Staubli. Mit Blick auf einen darüber
hinausgehenden Bedarf wäre eine Kooperation mit umliegenden Forstrevieren
möglich.
Diese regionale Verankerung
sei auch wirtschaftlich ein wichtiger Faktor, betont Staubli: «Bezieht man die
Heizzentrale von einem Schweizer Hersteller, bleiben 95 Prozent der
Investitionen im Inland, gut die Hälfte davon beim lokalen Gewerbe.» Auch
Betrieb und Unterhalt sorgen für lokale Aufträge und Arbeitsplätze – und
generieren damit Steuereinnahmen für die Gemeindekasse. Profitieren von der
Fernwärmebereitstellung können insbesondere die Forstbetriebe und
Privatwaldbesitzer als Rohstofflieferanten sowie Hackschnitzelhersteller und
Landwirte als Brennholzproduzenten und Transporteure. Hinzu kommen aber auch
vielfältige Aufträge für Bauhandwerker, Servicetechniker und Elektriker. «Auch
unser Kaminfeger wird nicht arbeitslos. Statt privater Ölfeuerungen reinigt er
nun unsere Heizzentralen», sagt Staubli. In Zukunft dürften bei der Fernwärme
nebst dieser lokalen Wertschöpfung vor allem die ökologischen Vorteile vermehrt
ins Gewicht fallen. Denn Holz ist klimaneutral – bei der Verbrennung wird nur
so viel CO 2 freigesetzt, wie vorher im Holz gebunden war. Staubli:
«Unter anderem Dank der Holzfernwärme kann sich unsere Gemeinde heute mit dem
Energiestadt®-Label schmücken.»
Stefan Staubli
Leiter Wald
kommunal+
Bergstrasse 2
5644 Auw
Tel. 056 668 18 02
E-Mail
Schweizerischer Gemeindeverband, Postfach, Laupenstrasse 35, CH-3001 Bern, 031 380 70 00, verband(at)chgemeinden.ch
2014. Alle Rechte vorbehalten. Bitte lesen Sie die «Allgemeinen rechtlichen Hinweise, Datenschutz», bevor Sie diese Website weiter benützen.