Corcelles-sur-Chavornay (VD), 350 Einwohner
Im Zuge der Renovation des Gemeindesaals installierte Corcelles-sur-Chavornay (VD) Photovoltaikzellen auf dem Dach des Gebäudes. Nun will die Waadtländer Gemeinde ihren Energiebedarf mit 28 Photovoltaikdächern decken.
Christian Hunziker (links) ist der Initiator des Photovoltaikprojektes. Jacques Piot ist Gemeindepräsident von Corcelles. Im Hintergrund ist Gemeindesaal zu sehen, der mit 160 Photovoltaikmodulen ausgerüstet ist.
Als Christian Hunziker 2007 in der Gemeinde
Corcelles-sur-Chavornay die Leitung der Kommission Baupolizei, Energie,
öffentliche Beleuchtung und Informatik übernahm, bestand eine seiner ersten
Aufgaben darin, den Gemeindesaal zu renovieren. Die grosse ehemalige Scheune
war zu einem Festsaal mit Bühne, Bar und Küche umfunktioniert worden und
beherbergte im Erdgeschoss auch einen Sitzungssaal, Material der Feuerwehr und
einen Raum für die Gemeindedienste. «Wir mussten den grossen Saal für die
Öffentlichkeit schliessen, weil er in sehr schlechtem Zustand war», erinnert
sich Hunziker. «Im Zuge der Dachsanierung habe ich vorgeschlagen, eine
Photovoltaikanlage zu installieren.» Die Gemeinde war einverstanden. Die Anlage produziert nicht nur Strom, der
weiterverkauft werden kann, sondern ist auch ein Blickfang im Herzen des Dorfes.
Einwohner, Passanten und Schüler der gegenüberliegenden Schule: Sie alle sehen,
mit welch einfachen Mitteln lokal Strom produziert werden kann.
Corcelles hatte jedoch nicht genug Geld, um die Anlage
zu finanzieren. Zu jener Zeit kostete eine Kilowattstunde (kWh) einer Photovoltaikanlage
70 Rappen – heute sind es ca. zwölf Rappen. Der Preis der rund 150 Quadratmeter
grossen Anlage wurde auf 400‘000 Franken geschätzt. «2007 war die neue
kostendeckende Einspeisevergütung noch nicht in Kraft», sagt Hunziker. «Wir wussten nicht, wie viel wir vom Kanton oder
vom Bund an Subventionen erhalten würden.»
Der Projektleiter wandte sich deshalb an den lokalen Energieversorger
Romande Energie. Von diesem erfuhr er, dass die Nachbargemeinde Essertines ein
ähnliches Vorhaben hatte. Hunziker nahm mit den Nachbarn Kontakt auf und schlug
eine Zusammenarbeit bzw. ein gemeinsames Verhandeln mit Romande Energie sowie
eine gemeinsame Ausschreibung vor. Hunziker kannte sich aus, da er 2003 an der
Hotelfachschule Lausanne, wo er arbeitet, eine Photovoltaikanlage montieren
liess. 18 Monate nach der Bewilligung durch die Gemeinde
wurde die Anlage in Corcelles installiert. Mit 148,6 Quadratmetern und 160 Modulen
war sie damals eine der grössten Photovoltaikzentralen im nördlichen Waadtland.
«Mit der Anlage mitten im Dorf fielen die Vorurteile reihenweise», erzählt Hunziker. Er ist nicht nur ein überzeugter Verfechter von sauberer
Energie, sondern besitzt auch einen eidgenössischen Ausweis als Elektrokontrolleur.
Dies hilft ihm, den genauen Sachverhalt bezüglich erneuerbarer Energien zu
erklären. «Die Einwohner haben gesehen, dass es keine Rückstrahlung gibt und
die Module hagelfest sind. Damit waren alle Zweifel ausgeräumt.» Im Mai 2010 präsentierte Hunziker, der selbst in der
Gemeinde Corcelles wohnt, anlässlich der von der Vereinigung zur Entwicklung
des Nördlichen Waadtlands mitorganisierten Tage der Sonne eine neue Idee: «Ich
wollte das Potenzial unserer Photovoltaikanlage unter Beweis stellen und
zeigen, dass es nicht so schwer wäre, unseren gesamten Strombedarf mit Photovoltaik
zu decken. Ich habe die Anzahl Dächer von exponierten Scheunen, Bauernhöfen und
Häusern gezählt und bin zum Ergebnis gekommen, dass unsere 360-Seelen-Gemeinde
mit 28 Photovoltaikanlagen ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch
hätte.» Die 28 Photovoltaikanlagen würden also jährlich durchschnittlich so
viel produzieren, wie die Einwohner von Corcelles, «Corsaillis» genannt,
verbrauchen.
Die Idee fand Anklang, und die Gemeindebehörde ermunterte den Projektverantwortlichen, weiter an seinem Konzept zu arbeiten. Mittels Umfrage evaluierte die Behörde die Bereitschaft der Einwohner, ihr Dach für eine Photovoltaikanlage zur Verfügung zu stellen. Von den an alle 99 Haushalte verschickten Formularen kamen 56 zurück, davon 99 Prozent mit einer positiven Antwort. Die interessierten Eigentümer trafen sich schliesslich zu einer Sitzung, um die erste theoretische Phase abzuschliessen. Noch galt es, die Zustimmung von Swissgrid einzuholen. «Im April 2012 haben wir die 28 neuen Anlagen bei Swissgrid angemeldet. Zurzeit erstellen wir eine Finanzanalyse des Projektes, die vom Kanton Waadt subventioniert wird», sagt Hunziker. Swissgrid schlage Subventionspauschalen oder den Kauf der produzierten Kilowattstunden vor. «Es liegt an uns, welchen Finanzierungsweg wir gehen wollen, um das Projekt 2015 realisieren zu können.» Das Konzept mit den 28 Dächern hat verschiedene Vorteile. Erstens lassen sich jene Dächer nutzen, welche die beste Ausrichtung haben, und zweitens ist dank der gleichen Module und Befestigungselemente eine ästhetische Einheitlichkeit gewährleistet. Denn Einwohner, die über eine grosse Dachfläche, aber nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, könnten bloss einen Teil ihrer Dächer mit Photovoltaikmodulen ausrüsten. Um einen solchen unästhetischen «Wildwuchs» zu vermeiden, will die Gemeinde eine Genossenschaft gründen, in die alle Einwohner bei Interesse investieren können. Vor allem jene im alten Dorfkern, die aus ästhetischen Gründen keine Photovoltaikmodule installieren dürfen, aber auch die interessierten Mieter. Die Kosten für die Photovoltaikanlagen werden über eine Ausschreibung ermittelt, denn es handelt sich um rund 8000 Quadratmeter Dachfläche. Corcelles wäre damit die erste Schweizer bzw. europäische Gemeinde mit einer autonomen Stromversorgung aus Photovoltaik. 2011 erstellte die Gemeinde ein Energiekonzept bzw. zog Bilanz über ihre Ressourcen und ihren Verbrauch in allen Bereichen, einschliesslich der Mobilität. Die Zahlen bestätigten, dass die Gemeinde in Bezug auf die Stromversorgung weder auf Wasser- noch auf Windkraft zurückgreifen kann und Sonnenenergie die einzige für sie nutzbare Ressource ist.
Da Corcelles Umweltfragen eine grosse Bedeutung beimisst, ist die Gemeinde auf diesem Gebiet sehr aktiv. So plant sie den Bau einer Fernwärmeanlage, die mit Holz aus den Gemeindewäldern alimentiert wird. Im Weiteren hat sie eine Umfrage zur Erstellung eines kleinen Ökoviertels mit sieben Wohnungen lanciert. Die Dächer der Gebäude werden mit Photovoltaikmodulen bestückt und decken in etwa den Energiebedarf der Bewohner. Das Quartier soll bis 2015 fertig gebaut und wird das erste seiner Art im nördlichen Waadtland sein. Um die Einwohner über den Zustand ihrer Häuser zu informieren, hat die Gemeinde schliesslich kostenlose Thermografien jedes Wohnhauses erstellen lassen. Die Corsaillis können noch weiter gehen und einen Gebäude-Energieausweis der Kantone (GEAK Plus) anfordern, mit dem der Energiebedarf und der finanzielle Aufwand einer Renovation/Isolation des Wohnhauses mittel- und kurzfristig berechnet wird. Seit 2014 unterstützt die Gemeinde diese Beurteilung mit einem Beitrag von 500 Franken – ein weiteres Zeichen ihres grossen Engagements.
Christian Hunziker
Le Château 5
1374 Corcelles-sur-Chavornay
Tel. privat 024 441 04 45
Mobile 079 479 76 54
E-Mail
Schweizerischer Gemeindeverband, Postfach, Laupenstrasse 35, CH-3001 Bern, 031 380 70 00, verband(at)chgemeinden.ch
2014. Alle Rechte vorbehalten. Bitte lesen Sie die «Allgemeinen rechtlichen Hinweise, Datenschutz», bevor Sie diese Website weiter benützen.